Es war finster und es roch nach Moder. Die Luft war abgestanden und kleine Wasserrinnsale bahnten sich ihren Weg entlang der Wand. Die Luft war eisig und aus der Ferne konnte man ein leises Knarren vernehmen.
Nadine erwachte aus tiefen schwarzen Nebeln. Als sie die Augen öffnete, streifte etwas ihr Gesicht und sie wich angeekelt ein Stück zurück. Ihre Hand strich über den Boden. Er war kalt und rau. Sie lag auf nackten Steinen. Mühselig richtete sich Nadine ein Stück auf. Ihre Finger berührten ihre Stirn. Ein starkes Hämmern dröhnte in ihrem Kopf. Langsam verschwanden die schwarzen Nebel und die Erinnerung kehrte zurück. Doch wie war sie bloß in dieses Verlies gekommen?
Nadine und ihre Freundin Lisa waren nach Berlin gefahren, um Urlaub zu machen. Einfach Leute kennen lernen und Spaß haben, so lautete ihre Devise. Das letzte, an das sie sich erinnern konnte war, das Lisa und sie auf dem Weg nach Hause waren. Unterwegs hatten sie angehalten, um etwas zu essen. Die Kneipe sah ziemlich Nett aus, trotzdem waren sie eingetreten. Dort hatten sie zwei Typen kennen gelernt. Sie hatten sich als Lumi und Kiro vorgestellt. Irgendetwas war Nadine komisch an ihnen vorgekommen. Aber da Kisha scheinbar von ihnen begeistert war, hatte sie auch nichts weiter sagen wollen. Nachdem sie sich eine ganze zeitlang unterhalten hatten, fingen sie an Jägermeister zu kippen. Sie machten ein Spiel daraus. Derjenige der verlor, musste ein Glas auf Ex austrinken. So waren etliche Gläser geleert worden. Obwohl Nadine unwohl gewesen war und von den beiden eine düstere Stimmung ausging, hatte sie nichts gesagt. Ihre Freundin hatte sich prächtig amüsiert.
Und nun war sie hier. Die Zeit dazwischen war wie ausgelöscht. Gähnende Leere herrschte in ihrem Hirn. Leise flüsterte Nadine den Namen ihrer Freundin in die Dunkelheit, doch sie bekam keine Antwort. Schrecken breitete sich in Nadine aus. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn und ihr Atem ging schwerer. Sie musste irgendwie hier herauskommen.
Sie zog sich langsam an der Wand hoch, bis sie auf ihren Füssen stand. Vorsichtig tastete sie sich an der Wand entlang. Das Verlies war nicht sehr groß und es befand sich rein gar nichts darin.
Langsam tastete sich Nadine weiter vorwärts. Plötzlich umfassten ihre Finger einen Türgriff. Ihr Herz schlug schneller. Mit zitternder Hand drückte sie die Klinke runter und öffnete die Tür. Nadine riss erschrocken die Augen auf und ein Schrei entrang ihrer Kehle. Vor ihr stand ein blass mann mit schwarzen roten haaren . Eingehüllt in das fahle Licht des Mondes ...
Nadine wollte einfach nur schreien, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen und sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Der Mann packte sie am Arm und hinderte sie so daran umzufallen. Er zog sie nun ganz hinaus auf den Gang. Seine kalten Finger umfassten ihren Ellbogen und er drängte sie nun den Flur entlang. "Wo wollen Sie mit mir hin? Wo bin ich? Wer sind Sie?" Nadine versuchte verzweifelt sich dem harten Griff zu entziehen. Der Mann zog sie weiter den dunklen Flur entlang. Überall hingen Spinnweben und es war staubig. Die Luft war erfüllt mit dem Duft des Todes. Der Mann blieb stehen und starrte sie aus seinen kalten Augen an. Er musterte sie.
"Ich heiße Yu und bringe Dich nun nach oben. Alles weitere erfährst Du später." In seinem Gesicht konnte sie keinerlei Gefühlsregung erkennen. Er blickte sie noch einen Moment lang an, bevor er sie weiter den Flur entlang zerrte.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, bis sie eine große schwere Tür erreichten. Lumi stieß sie auf und drängte sie hinein. Der Raum war ebenfalls düster, nur schwach erhellt von dem Schein einiger Kerzen. In der Mitte stand ein großer Tisch mit mehreren Stühlen. Yu schob Nadine darauf zu und deutete ihr sich zu setzen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als diesem Befehl nachzugehen. Er drehte sich um und verließ ohne weiteren Kommentar den Raum. Die schwere Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Der Raum war mittelgroß und dichte schwarze Vorhänge verdeckten die Fenster. Über dem Tisch hing ein schwerer Kronleuchter, der aber nicht brannte. Mehrere Kerzen verbreiteten ein schwaches und beängstigendes Licht. Nadine befand sich allein in diesem Zimmer. Zumindest dachte sie das, als sich plötzlich eine Gestalt aus der Dunkelheit löste und auf sie zukam. Nadine spürte, das sie nicht mehr allein war und drehte sich um. Sie starrte in das blasse Gesicht von Kiro, auf dessen Lippen ein hämisches Grinsen lag.
"Du?" Nadine erkannte ihre eigene Stimme in diesem Moment nicht wieder. Kiro setzte sich und rückte dicht an sie heran. "Ja, ich. Hättest Du wohl nicht erwartet?" Er blickte in ihre weit vor Angst aufgerissenen Augen und rutschte noch ein Stückchen näher. "Deine Freundin Kisha hat uns viel Freude bereitet. Aber leider hat sie sich ein bisschen geziert ..."
"Was habt ihr Schweine mit ihr gemacht?" Nadine wollte nach Kiro schlagen, doch er hielt ihre Hand mit eisernem Griff fest. Er grinste wieder und machte eine abwertende Handbewegung. "Nichts haben wir mit ihr gemacht. Sie wollte nur nicht bleiben." Kiro stand nun hinter ihr. Er umfasste ihre Haare und zog ihren Kopf nach hinten. Seine Zunge wanderte ihren Hals entlang und hinterließ einen kalten Schauer auf ihrer Haut. "Aber bei Dir wird das anders sein." Er presste seine harten Lippen auf ihren warmen Mund. Verzweifelt versuchte Nadine sich zu wehren, doch er war zu stark für sie. Seine andere Hand wanderte tiefer. Er wollte ihr das Shirt hochziehen und seine gierigen Finger über ihren Körper wandern lassen. Nadine bettelte: "Bitte, nicht ..." Doch Kiro ließ nicht von ihr ab. Plötzlich flog die Tür auf und eine Stimme sagte "Nein".
Kiro ließ von nadine ab und starrte Richtung Tür.
Im Türrahmen stand ein großer Mann. Da er im Dunkeln stand, konnte Nadine sein Gesicht nicht erkennen. Aber in diesem Moment war sie ihm dankbar. Schließlich hatte er Kiro von seiner Tat abhalten können. Kiro lief nervös hin und her und blickte verschämt zu Boden. Er fühlte sich erwischt und ärgerte sich nun über sich selbst, das er es nicht klüger angegangen war.
"Verdammt, Du schon wieder!" zischte er Richtung Tür. Seine Augen blickten giftig auf die große Gestalt, die noch immer regungslos im Türrahmen stand. "Nie kann man sich mal ein bisschen amüsieren." Voller Wut trat Kiro gegen einen Stuhl, der polternd zu Boden fiel.
"Du weißt, das Er Dir das niemals gestatten würde. Also beschwöre keinen unnötigen Ärger herauf." Die Gestalt löste sich langsam aus der Dunkelheit und kam auf sie zu. "Kiro, sei vernünftig. Du weißt, was Er sonst mit Dir macht." Nadine erkannte plötzlich Shin im Kerzenschein. Seine Augen, blicken immer wieder zwischen Kiro und Nadine hin und her wanderten, spiegelten nichts von seinen Gedanken wider.Nadine konnte im ersten Moment gar nichts sagen. Hätte sie sich doch eigentlich denken können; wo der eine ist, kann der andere nicht weit sein. Am liebsten wäre Nadine aufgesprungen und hinausgerannt. Doch irgendetwas lähmte sie an diesem Stuhl fest. Kiro schnaufte immer noch verächtlich. "Es wäre besser, wenn Du jetzt gehst und Dich wieder beruhigst." Shins Stimme duldete keinen Widerspruch. Kiro merkte, das er hier nichts mehr ausrichten konnte. Verärgert verließ er den Raum, ohne Nadine eines weiteren Blickes zu würdigen. Die Tür ließ er donnernd ins Schloss fallen.
Shin schaute Nadine an und berührte sie sanft an der Wange. "Bist Du in Ordnung?" Nadine erlangte langsam ihre Selbstbeherrschung wieder. "Was zum Teufel ..." Shin legte ihr einen Finger auf den Mund. "Ich weiß Nadine, Du bist wütend und möchtest wissen, wo Du hier bist und vor allem warum."
Shins Gesichtszüge nahmen nun weichere Züge an und er schien sich wirklich um ihr Wohlergehen zu sorgen. Nadine entspannte sich ein wenig. In seiner Gegenwart fühlte sie sich nun sicherer, obwohl ein Rest Zweifel zurück blieb und an ihr nagte. Konnte sie Shin wirklich trauen oder spielte er hier ein doppeltes Spiel?